
Rückblick 1. Quartal 2023
(Wir lernten neue Vokabeln: “Bank-Run) und “Finanzstabilität” )
Hamburg, im April 2023. Schauen wir zuerst in unseren letzten Kapitalmarktausblick von Anfang des Jahres. Dort schrieben wir:
“wir erwarteten für das erste Halbjahr 2023, „dass sich in diesem Zeitraum die Auswirkungen der restriktiven Notenbankenpolitik 2022 zeigen werden. Schließlich wurde von der amerikanischen Notenbank FED klar und deutlich angekündigt, dass zur Bekämpfung der Inflation eine Rezession, sinkende Unternehmensgewinne und auch Arbeitslosigkeit in Kauf genommen werden.“
Dazu merkten wir an, dass
… “aufgrund der vielfältigen, ineinandergreifenden Krisen und entsprechender Gegenmaßnahmen die Wahrscheinlichkeit extremer Wendungen sehr groß sein wird.”
So ist es auch gekommen, nur ganz anders als erwartet.
Zwar zeigten sich die Auswirkungen der starken Leitzinserhöhungen durch die Notenbanken. Doch dass diese den stärksten Einfluss im Bankensektor hatten, kam für alle Marktteilnehmer überraschend.
Bis Anfang März waren Banktitel bei vielen Investorenbriefen aufgrund des wieder gestiegenen Zinsniveaus sogar eine klare Kaufempfehlung gewesen.
Das alles in einem Marktumfeld, das durch die Vielzahl an Krisen sowieso von extremer Nervosität geprägt war. Dann passierte das Unerwartete: es kam zum Bank–Run auf eine Regionalbank in den USA, der Silicon Valley Bank.
Exkurs: Ein „Bank-Run“ ist ein Ansturm der Kunden auf eine Bank, bei der die Anleger möglichst zeitnah ihre Einlagen (Depositen) abheben wollen. Typischerweise sind aufkommende Zweifel an der Überlebensfähigkeit der Bank der Auslöser für den Bankansturm.
Da eine Bank nur einen Bruchteil ihres Vermögens als Bargeld bereithält und der Hauptteil in längerfristigen Aktiva angelegt ist, kann der Bankansturm selbst leicht in einer Insolvenz der Bank enden. (Quelle: wikipedia.org/)
Ende März hatte die US-Finanzaufsicht die Silicon Valley Bank und in der Folge auch die Signature Bank in New York geschlossen. Eine Kettenreaktion auf andere Banken schien möglich, wurde aber durch verschiedene massive Liquiditätshilfen verhindert.
Allein das Hilfspaket der amerikanischen Notenbank hatte ein Volumen von über 300 Milliarden USD.
Als Kollateralschaden wurde die Credit Suisse als zweitgrößte Bank der Schweiz innerhalb eines Wochenendes von der UBS übernommen. Hier traf der allgemeine Vertrauensverlust auf eine Bank, die schon länger große Probleme durch Kundenabwanderung hatte.
Seitdem scheint so etwas wie Ruhe im Bankensektor eingezogen zu sein.
Dies alles führte bei den Notenbanken zu einer Verschiebung der Prioritäten. Lag der Fokus bisher auf der Bekämpfung der Inflation, kam nun der Erhalt der Finanzmarktstabilität hinzu.
Exkurs: "Finanzstabilität" kann als Zustand definiert werden, in dem das Finanzsystem – also die Finanzintermediäre, Finanzmärkte und Marktinfrastrukturen – widerstandsfähig gegenüber Schocks sowie unerwarteten Entwicklungen in Bezug auf finanzielle Ungleichgewichte ist. (Quelle: Europäische Zentralbank)
Finanzstabilität reduziert die Wahrscheinlichkeit einer Störung des Finanzintermediationsprozesses, die so schwerwiegend ausfällt, dass es zu einer Beeinträchtigung der realwirtschaftlichen Aktivität kommt.
Die Lage war also wirklich ernst, wenn die Finanzstabilität als gefährdet angesehen wurde.
Hatten die Notenbanken bis dahin dem Markt die Liquidität entzogen, um die Inflation zu bekämpfen, flossen nun weitaus größere Geldmengen zur Bankenstabilisierung wieder in den Markt zurück.
Dieser Zufluss bewirkte genau das, was er in den Jahren bis 2022 auch tat: er beflügelte die Märkte. Aktien und Zinspapiere stiegen im Wert, jetzt auch in den USA, vor allem die Wachstumswerte profitierten.
Parallel wurde damit langsam klar, dass wir mit einer höheren Inflation für eine längere Zeit werden leben müssen.
Für die Wertpapiermärkte war die Bankenstabilisierung zumindest kurzfristig positiv.
Für die Wirtschaft allgemein kann man dies nicht sagen, denn jetzt kommt ein weiterer negativ wirkender Faktor hinzu: die Banken werden ihre Bereitschaft, Kredite zu geben, stärker einschränken.
Geringere Kreditvergabe ist genau der Effekt, den die Notenbanken durch Zinserhöhungen erreichen wollen. Im Endeffekt wird also das Geldmengenwachstum durch die Folgen der Bankenkrise weiter eingeschränkt.
Für die Notenbankpolitik bedeutet die restriktive Kreditvergabepraxis eine Unterstützung im Kampf gegen die Inflation. Sie wirkt wie eine oder mehrere Zinserhöhungen, die jetzt (vielleicht) sogar entfallen können.
Mittelfristig trübt dies die Wirtschaftsaussichten weiter ein. Aktuell scheint es jedoch noch keine Rolle zu spielen.
Die Wertpapiermärkte haben sich im ersten Quartal 2023 stabilisiert. Trotz der neuen Krise im Bankensektor. Die Finanzstabilität scheint wieder gewährleistet.
Das sind gute Nachrichten.
Dies alles beeinflusst natürlich den Ausblick und die Erwartungen an die kommenden Monate.

kurzfristig sieht es besser aus als mittelfristig
Zuletzt wurde auch eingefleischten Rezessionsskeptikern klar, dass die stärksten Zinserhöhungen in den USA seit 1980 nicht ohne Folgen bleiben würden.
Traditionell wäre zu erwarten gewesen, dass sich die Geldpolitik in den Erträgen der Unternehmen niederschlägt. Für viele unerwartet rückte aber der Bankensenktor in den Vordergrund. Einhergehend mit den schwersten Turbulenzen im Finanzsystem seit 2008.
Im Grunde wird durch den bisherigen Jahresverlauf überdeutlich, dass es die gleichen Unsicherheiten wie 2022 sind, die uns nach wie vor beschäftigen. Nur eben in etwas anderer Form:
so ist der Schreck angesichts zweistelliger Inflationsraten inzwischen der Schwierigkeit gewichen, das Inflationsbild richtig zu interpretieren.
Allgemein wird von den Ökonomen erwartet, dass die Gesamtinflationsraten wieder fallen werden, aber höheren und langsamer sinkenden Kernraten gegenüberstehen.
Das Ziel der Notenbankpolitik bleibt weiterhin die Bekämpfung der Inflation durch die Reduzierung der Geldmenge. Dies wird höchstwahrscheinlich zu einer Rezession führen.
Nach heutigem Wissenstand später als erwartet und über den Bankensektor statt über allgemein sinkende Unternehmensgewinne.
Was erwarten wir konkret?
Kurzfristig sind wir positiv gestimmt!
Aktuell spüren wir die Kehrtwende der Notenbankpolitik. Die Liquiditätshilfen führen zu einer Erhöhung der Geldmengen. Dies kann dazu führen, dass die Aktienkurse steigen und die Zinsen sinken. Zumindest ist die Wahrscheinlichkeit gestiegen.
Die Börsen können aktuell also profitieren. Dazu kommt, dass – historisch gesehen – die Monate April und Mai saisonal gesehen meist positiv sind.
Mittelfristig sind wir vorsichtiger
Speziell in den USA kann sich da aufgrund der immens hohen Kreditvergabe gerade kleinerer Banken im gewerblichen Immobilienbereich noch ein Problem entwickeln. Gehen die Immobilienpreise in diesem Sektor weiter wie bisher zurück, kann es wieder Unruhe in den Markt bringen.
Sicher erscheint jedenfalls, dass die Banken ihre Kreditvergabe stärker senken werden. Hiervon sind sowohl Gewerbe- als auch Konsumkredite betroffen.
Gründe hierfür sind die Schaffung von Liquiditätsreserven und eine neue Vorsicht für den Fall von sinkenden Immobilienpreisen.
Das alles wird zwangsläufig zu einer deutlich schlechteren Konjunktur führen.
Bankexperten schätzen, dass die reduzierte Kreditvergabe einer weiteren Zinsanhebung der amerikanischen Notenbank um 1,5% entsprechen dürfte.
Die Inflationsdaten werden nach unserer Meinung zurückgehen und die Leitzinserhöhungen erst einmal eine Pause einlegen.
Eine Rezession in den USA erscheint für das zweite Halbjahr trotzdem sehr wahrscheinlich. Denn die Geldmenge wird sinken: jetzt aufgrund der strengeren Kreditvergabe der Banken auf Basis der aktuell hohen Leitzinsen.
Europa wird da nicht außen vor bleiben können.
Die Schlussfolgerung:
Es sind die Unsicherheiten um Inflation und Wachstum, welche uns als Marktteilnehmer weiterhin beschäftigen werden.
Aktuell haben sich die Märkte beruhigt.
Es gilt aktuell, genau zu schauen, ob und wann wir wieder extreme Wendungen sehen werden.
Andreas Enke