Quartalsbericht Herbst 2022

Mittendrin in der Krise

Die Quartalsberichte in 2022 waren bisher geprägt von düsteren Aussichten: hieß es im Frühjahr: „ein schlimmeres Umfeld kann es nicht geben“, schrieben wir im Sommer von dem „perfekten Sturm“ auf den Kapitalmärkten.

Zeit zu schauen, wo wir heute stehen:

· welche der düsteren Prognosen haben sich bestätigt?

· gab es in einigen Bereichen Entwarnung?

· wo gab es neue Ereignisse, die Einfluss auf die Kapitalmärkte haben?

Natürlich wollen wir dann auch unsere Erwartungen in die Marktentwicklungen der kommenden Monate mit Ihnen teilen.

Inflation und ihre Folgen

Über Allem steht derzeit das Gespenst der Inflation mit den sich daraus ergebenden Handlungen der Notenbanken und den Folgen für die Wirtschaft. Denn bei den Notenbanken spielt die Musik: wie hoch werden die Leitzinsen steigen? Kann das richtige Maß gefunden werden, um die Inflation einzubremsen und gleichzeitig die sich abzeichnende Rezession in Grenzen oder wenigstens zeitlich befristet ablaufen zu lassen?

Den Ton gibt die amerikanische Notenbank FED vor. Wobei sie klargemacht hat, dass sie keine Rücksicht auf die Politik nehmen wird. Im Gegenteil: Die Fed habe „keine Kontrolle darüber, wie sich das Angebot von Nahrungsmitteln, Essen, Energie, Arbeitskräften oder Computerchips entwickle“, hat Notenbank-Vize Lael Brainard kürzlich gesagt, aber man habe „die Fähigkeiten und die Aufgabe, für Preisstabilität zu sorgen. Wir machen so lange weiter wie nötig, um die Inflation herunterzukriegen“.

Ungewöhnlich deutlich sprach sein Chef Jerome Powell auch über die harten Konsequenzen, die dieser Kurs mit sich bringt. So werde das für eine längere Zeit ein schwächeres Wachstum zur Folge haben sowie einen schwächeren Arbeitsmarkt. „Das wird für Haushalte und Unternehmen schmerzhaft sein“, stellte Powell klar. „Das sind leider die Kosten dafür, dass man Inflation bekämpft.“

Deutliche Worte. Stellt sich die Frage, wie hoch die Zinsen steigen könnten und was dies für uns bedeutet?

Die Lage ist deshalb so extrem, weil das Instrumentarium indirekt wirkt und damit nicht kurzfristig. Damit die Inflation gedämpft wird, muss die umlaufende Geldmenge reduziert werden. Dies dauert einige Zeit.

Zusätzlich verändert sich gerade die Stimmung: weil mittlerweile alle damit rechnen, dass die Inflation weiter anzieht, heben alle, die das können, ihre Preise und Löhne weiter an. Eine Spirale, die sich nur schwer wieder stoppen lässt.

Als Konsequenz werden daher jetzt die Leitzinsen massiv angehoben. Aber was heißt „massiv“? Wie stark können Zinsen steigen? Viele Ökonomen schauen aktuell in die 1970er Jahre, was dem Blick in ein Gruselkabinett gleichkommt:

Um die Jahreswende 1970/71 lag die Kerninflationsrate (ohne Energie und Nahrungsmittel) in den USA bei sechseinhalb Prozent, also in etwa auf heutigem Niveau. Der Leitzins wurde damals auf neun Prozent angehoben. Einen anschließenden Rückgang der Inflation begleitete die FED mit raschen Zinssenkungen – die Lage schien unter Kontrolle. Bis dann an der zweiten Hälfte der 1970er Jahre bedingt durch den ersten Ölpreisschock die Kerninflation auf über elf Prozentstieg– der Leitzins lag zu jener Zeit bei zwölf Prozent. Im Frühjahr 1980 lag die Kerninflation schließlich bei über 13 Prozent, die Leitzinsen stiegen zeitweise auf über 19 Prozent.

Die FED beschloss dann, die Inflationsdynamik zu brechen, egal zu welchem Preis (ich erinnere an die aktuellen Aussagen der FED vor wenigen Wochen). Dies verursachte erst einmal eine heftige Rezession, die Arbeitslosigkeit stieg empfindlich. Genau dies kündigte Powell als Preis der Inflationsbekämpfung gerade an.

Derzeit ist der Realzins immer noch stark negativ. Wenn man die US-Kerninflation als Maßstab nimmt, liegen die Leitzinsen abzüglich der Preissteigerungsrate bei minus(!) drei Prozent. Es ist von daher nicht abwegig anzunehmen, dass die Leitzinsen noch deutlich angehoben werden. Deutlich höher, als die kolportierten 4,4% für die USA oder 2-3% für Europa. Notenbankpolitik wirkt dann, wenn der Realzins positiv ist. Wenn also der Kapitalmarktzins höher ist als die Inflationsrate. Wenn die Kerninflation bei über 6,3% verharrt, müsste der Leitzins also bei 7% + x liegen!

Sollte sich dieses Szenario materialisieren, wäre wohl eine heftige Rezession in den USA unumgänglich. Eine starke Aufwertung des Dollars würde viele Entwicklungs- und Schwellenländer in extrem schwierige Situationen treiben. Starke Zinserhöhungen sind rund um den Globus schon jetzt sichtbar. Eine Entwicklung, die sich gegebenenfalls weiter verschärfen würde.

Es gibt auch keine Entwarnung auf den Ebenen der Geopolitik. Eher das Gegenteil trifft zu:

· Was bedeutet der veränderte Kriegsverlauf im Ukrainekrieg? Teilmobilmachung in Russland, Explosionen in der Ostsee?

· Durch den Regierungswechsel in Italien wird parallel eine weitere Belastungsprobe für die EU erwartet, wobei ein Blick aus italienischer Sicht nach Norden sicher empfehlenswert ist, denn dort sorgen allzu populistische Wahlversprechen gerade für eine weitere Krise:

· In Großbritannien haben wir gerade erlebt, was uns in Resteuropa blühen könnte, wenn wir stärker auf eine populistisch orientierte Politik umschwenken.

Entwarnung bei den großen Themen gibt es aktuell also leider nicht zu berichten: die negativen Prognosen treffen gerade leider alle ein und aus Großbritannien kommt noch etwas dazu.

Was bedeutet dies? Wie gehen wir damit um?

Es bleibt die Frage, ob jetzt schon alle schlechten Nachrichten in den Kursen eingepreist sind. Denn das wäre das Indiz für einen Wiedereinstieg auf der Aktienseite. Dazu gibt es auch Chancen, die sich aus den Verwerfungen ergeben.

Im Moment ist aus unserer Sicht aber noch nicht die Zeit für einen breiten Einstieg in den Aktienmarkt  gekommen. Auch wenn es zwischenzeitlich zu Phasen einer Erholung kommen sollte, vermuten wir, dass diese durch die Notenbanken wieder ausgebremst werden.
Die Aussagen der FED waren da eindeutig. Konjunkturdaten, Gewinnerwartungen der Unternehmen und auch technische Indikatoren wie die Zinsstrukturkurve sprechen im Moment für eine kommende Rezession. Jedoch bieten bestimmte Themen (Erneuerbare Energien, Energieinfrastruktur oder die Kreislaufwirtschaft) unabhängig vom Umfeld und Zeitpunkt perspektivisch Einstiegsmöglichkeiten.

Auch auf der Währungsseite ergeben sich Chancen  für positive Rendite: als direkte Folge der Notenbankpolitik wird der US Dollar vermutlich weiter gegenüber dem Euro steigen. Zinspapiere, die auf USD lauten, sollten daher profitieren. Hier ergeben sich Möglichkeiten.

Fazit:

Derzeit erwarten wir für das vierte Quartal keine positiven Entwicklungen auf den Aktienmärkten. Der Aktienfonds befindet sich daher aktuell im Absicherungsmodus.
Wann denn die negativen Meldungen in den Kursen eingepreist sind, hängt m.E. von den Notenbanken ab. Wenn die FED verkündet, dass die Phase der Zinserhöhungen vorbei ist und auch wieder erste Zinssenkungen angedeutet werden, dann gilt es, sehr aufmerksam zu sein. Denn dafür wird es dann gute Gründe geben.

Weltweit halten die professionellen Anleger ihre Investitionen noch zurück, aber es steht bei positiven Signalen sehr viel Geld bereit, wieder in die Aktienmärkte zu gehen. Diese positiven Signale können durchaus überraschend kommen. Wenn sich abzeichnet, dass die Inflationsdaten sinken und/oder die Gewinnerwartungen der Unternehmen positiv überraschen: dann wird Licht am Ende des Tunnels zu sehen sein. Hoffnung honoriert die Börse in der Regel mit steigenden Kursen.

Da wollen wir dann auch dabei sein.