Rückblick und Ausblick
Hamburg, 14.04.2022: Ein schlimmeres Umfeld für Aktienanlagen kann es wohl nicht geben und so wird das erste Quartal 2022 uns allen mit Sicherheit lange in Erinnerung bleiben.
Ein extrem starker Anstieg der Energiepreise – Inflationsängste, die Realität werden – Kriegsängste, die ebenfalls Realität werden – Lieferkettenprobleme, die uns wieder begegnen. Corona ist auch noch da und führt in China wieder zu Lockdowns in Großstädten. Von der Klimakrise wollen wir gerade nicht reden…
Damit einhergehend erfolgte eine Neuorientierung in allen Bereichen.
Was bedeutet es eigentlich: ein Krieg in Europa mit Millionen Flüchtlingen unter den sowieso schon kritischen Rahmenbedingungen? Welche Folgen hat dies für die Gesellschaft und für die Wirtschaft? Welche Eskalation ist eigentlich noch denkbar?
Wir können es nicht wissen, weil dieses Szenario bis zum 24.02.2022 nicht vorstellbar war.
Ist Wirtschaftswachstum derzeit oder auf Sicht noch möglich oder ist diese Frage schon zu banal? Wenn wir über Geld und Wirtschaftsentwicklung schreiben, müssen wir uns aber dieser Frage stellen. Wir können sie auch andersherum stellen: werden jetzt die Rezessions- oder sogar Stagflationsängste wahr?
Noch im letzten Quartalsreport waren wir in Richtung Aktien optimistisch. Wir schrieben, dass wir eine positive Entwicklung in 2022 erwarten würden. Allerdings mit dem Zusatz: „ein Krieg in Europa würde alles ändern.“
Was diese Aussage bedeutet, hat das erste Quartal gezeigt. Wobei die Stimmung immer wieder zwischen Hoffen und Bangen abwechselte.
Lassen Sie uns gemeinsam zurückschauen, wie wir diese ersten drei Monate des Jahres 2022 erlebten und wie wir im Fondsmanagement damit umgingen.
Aus dem positiven Umfeld des Jahres 2021 heraus begann der Januar mit der ersten unangenehmen Überraschung: die amerikanische Notenbank FED reagierte anders als erwartet auf die steigenden Inflationssorgen in den USA. Die Ankündigung von stärkeren Zinserhöhungen schickte die Aktien- und Rentenkurse in den Keller. Und wenn Notenbanken den Markt überraschen, ist die Reaktion in der Regel heftig. Parallel spitzte sich die Ukrainekrise langsam zu, so dass Ende Januar kräftige Kursverluste auf allen Ebenen zu sehen waren.
Wir reagierten mit dem Aufbau der Absicherung in unserem Fonds.
Anfang Februar kam kurz Hoffnung auf eine beginnende Erholung auf, da die europäische Zentralbank EZB beruhigende Signale sendete. Die Kurse erholten sich etwas. Parallel nahm die Kriegsgefahr in Osteuropa aufgrund des weiteren Truppenaufmarsches und den laufenden Manövern stark zu. Ein weiterer Aufbau unserer Absicherung erschien notwendig.
Als der Krieg dann begann, konnten wir aus der Komplettabsicherung heraus dem allgemeinen Kursverfall an den Börsen zuschauen.
Genauso schwer, wie es ist, die Entscheidung für eine Absicherung zu treffen, ist die Entscheidung, wieder in den Investitionsmodus zu gehen. Im März war die allgemeine Lage keinen Deut besser als im Vormonat, aber die Märkte beruhigten sich weltweit. Die schlechten Nachrichten waren offensichtlich in den Kursen eingearbeitet.
So konnten wir die Absicherungen wieder auflösen und von den steigenden Kursen partizipieren ohne vorher die heftigen Kursverluste mitgenommen zu haben. Die folgende Grafik zeigt den Kursverlauf des Fonds (blaue Linie) im Vergleich zum DAX und MSCI World.

Ganz aktuell kommt es aber wieder zur Stimmungseintrübung. Das aktuelle Kriegsgeschehen, weiter steigende Energie- und jetzt auch Verbraucherpreise, eine erneut aufkommende Lieferkettenproblematik und akute Rezessionsängste in den USA führen wieder zu elementaren Sorgen an den Börsen.
Es war und ist harte Arbeit. Insgesamt konnten wir durch diese Anlagepolitik – konsequente Reaktion auf neue Informationen – das erste Quartal mit dem Fonds ohne Kursverluste überstehen.
Wie geht es weiter? Was erwarten wir für die nächste Zeit?
Bundeskanzler Scholz sprach in seiner Regierungserklärung am 27.02.2022 von einer Zeitenwende. Er meinte sicher nicht den Kapitalmarkt, aber auch hier trifft der Satz zu. Noch nie während meines beruflichen Lebens war die fundamentale Unsicherheit so groß wie aktuell.
Ist es unter diesen Umständen überhaupt möglich, eine seriöse Prognose zu veröffentlichen?
In einem Zustand großer Unsicherheit werden die Prognosen der Ökonomen automatisch zur Spekulation: Wirtschaftswissenschaftler versuchen, ein konsistentes Bild der jüngeren Vergangenheit auf Basis derzeit verfügbarer Daten in die nähere Zukunft fortzuschreiben. Wenn sich die Rahmenbedingungen derzeit gefühlt wöchentlich und überraschend ändern, ist dies einfach nicht möglich.
Das macht Prognosen nicht überflüssig. Aber wir sollten sie mit großer Vorsicht betrachten. Und es erzwingt das Denken in Szenarien.
In dieser Zeit der fundamentalen Unsicherheit können wir gegenwärtig noch nicht einmal abschätzen, wie groß der Schock durch den Überfall auf die Ukraine wirklich ist und was wir noch erwarten müssen. Ökonomen warten händeringend auf neue Daten, aber noch kommen sie nicht.
Warum wir auf alles gefasst sein müssen? Alles ist möglich: der Beginn einer Stagflation bis hin zu einer gut laufenden Konjunktur. Krise oder Boom.
Dies möchte ich gerne erläutern.
Die Krise auf dem Kapitalmarkt nach Ausbruch der Pandemie 2020 mit der anschließenden Erholung ist ein passendes Beispiel:
Als die ersten Lockdowns in Europa realisiert wurden, war die Unsicherheit fundamental: ein solches Szenario hatte es noch nie gegeben. Die Unternehmen fuhren ihre Investitionen zurück oder gingen in Kurzarbeit, wir Privatleute sparten mehr als vorher. In der Summe entstanden riesige Geldreserven. Die Notenbanken handelten nach dem klassischen Muster und „druckten“ Geld, die Staaten halfen mit Notprogrammen in riesigem Ausmaß.
Als sich die Unsicherheit legte, kam es zu einer kräftigen Erholung in der Wirtschaft. Die Börsen nahmen erst eine Wirtschaftskrise und dann diese Erholung vorweg: auf den Crash mit hohen Kursverlusten weltweit folgte die stärkste Börsenrallye aller Zeiten.
Im Moment sieht es so aus, dass sich die große Unsicherheit über die wirtschaftlichen Auswirkungen des Krieges, der damit einhergehenden Flüchtlingsströme, der rapide steigenden Inflation, der erhöhten Produktionskosten und Energiepreise in eine Stagflation (wenig oder kein Wirtschaftswachstum bei hoher Inflation) münden wird.
Wobei sich im Portfoliomanagement natürlich die Frage stellt, ob diese Erwartung in den aktuellen Kursen schon eingepreist ist oder noch nicht.
Es kann aber auch ganz anders laufen:
Der Investitionsbedarf bei Infrastruktur, Digitalisierung, regenerativen Energien und Rüstung ist hoch, die Lieferkettenproblematik kann zum Aufbau von Ersatzkapazitäten führen, die Bürger können ihre Konsumausgaben aufgrund des Nachholbedarfes wieder steigern. Vielleicht erhöhen die Notenbanken die Zinsen entgegen den Erwartungen gar nicht, weil sie in den Modus der Kriegswirtschaft gehen.
Das würde eine kräftig steigende Konjunktur mit kräftig steigenden Kursen zur Folge haben.
Wir wissen, dass wir nicht wissen, wie es in naher Zukunft an den Märkten weitergeht.
Daher ist es wichtig, auf neue Informationen und neue Realitäten aktiv zu reagieren.
Wir müssen uns auf alles gefasst machen und daher aktiv mit den Portfolien arbeiten. Gut möglich, dass – wie im ersten Quartal – die Investitionsquoten im Fonds weiterhin zwischen 0% und 100% schwanken werden.
Andreas Enke