Quartalsbericht Herbst 2021

Nach vielen Monaten mit steigenden Börsenkursen wächst die Besorgnis

Hamburg, 26.10.2021 Passend zur Jahreszeit ziehen an den Börsen seit ein paar Wochen immer mal wieder dunkle Wolken auf.
Bis zur Mitte des dritten Quartals kannte der Aktienmarkt nur eine Richtung: es ging aufwärts. Seit Mitte August (in den USA seit Anfang September) schien der der Schwung aber erst einmal gebrochen zu sein. Ende September betrug der Abstand zu den Höchstständen in den großen Aktienindices bereits über 5%.
Im Ergebnis hatte sich damit im dritten Quartal allerdings nicht viel getan: das Quartalsergebnis des DAX lag bei -1,7%, der amerikanische S&P500 lag mit 0,2% sogar noch im positiven Bereich.

Wenn wir allein auf das dritte Quartal schauen, so wurden die Aktiengewinne aus der ersten Hälfte des Quartals nur wieder abgegeben.

Ganz aktuell ist dies auch schon wieder Geschichte: international werden wieder Höchststände an den Aktienmärkten gemeldet!

Doch schauen wir genauer hin: sind die „dunklen Wolken“ Vorboten einer Schlechtwetterfront oder doch nur Ausdruck des normalen Wettergeschehens?

Warum ist der Markt so volatil?

Den Markt bewegen gerade mehrere große Themen, die miteinander in Verbindung stehen:

  1. Nachlassendes Wirtschaftswachstum in Verbindung mit Preissteigerungen.
  2. gestörte Lieferketten

stehen

  1. die großen Ausgabenprogramme der Regierungen
  2. und die expansive Geldpolitik der Notenbanken gegenüber.

Stagflation – die Wortkombination aus einem stagnierenden Wirtschaftswachstum und spürbarer Inflation – wird gerade wieder aktuell. Zu den Fakten: Das renommierte Ifo-Institut erwartet, dass in Deutschland das Bruttoninlandsprodukt in diesem Jahr nur um 2,5 Prozent wächst. In normalen Zeiten wäre das vergleichsweise viel, jetzt in der Erholungsphase nach dem Corona-Lockdown im vergangenen Jahr aber eher enttäuschend. Noch im Sommer hatte das Ifo-Institut mit einem Wirtschaftswachstum von 3,3 Prozent gerechnet.

Als Hauptgrund für das weltweit nachlassende Wirtschaftswachstum werden gestörte Lieferketten und Engpässe genannt.

Dadurch rückt die Inflation aktuell wieder stark in den Focus der Aufmerksamkeit. In Deutschland stiegen die Verbraucherpreise im September um 4,1 Prozent und damit so stark wie seit 28 Jahren nicht mehr. In den USA erreichte die Inflation zuletzt sogar einen Wert von mehr als fünf Prozent. Diesseits und jenseits des Atlantiks peilen die Notenbanken eigentlich einen Zuwachs von rund zwei Prozent an. Da stellt sich die Frage, wie lange die EZB und die Fed noch an ihrer ultralockeren Geldpolitik festhalten wollen beziehungsweise können.
Das hängt im Wesentlichen davon ab, ob es sich um zeitlich begrenzte oder nachhaltige Preissteigerungen handelt. Sind es nur Corona-bedingte Nachholeffekte, so werden sich die Preissteigerungen in den kommenden Monaten schrittweise ausschleifen.

In den USA haben die Notenbanker ziemlich klar erklärt, eine zwischenzeitlich höhere Inflationsrate tolerieren zu wollen. Hier werden in den kommenden Monaten die in Ihrer Wirkung zinssenkenden Anleihekäufe zwar schrittweise zurückgefahren, aber die Leitzinsen an sich werden auch für längere Zeit noch nicht angehoben werden. Von einer restriktiven Geldpolitik sind die Amerikaner also noch weiterhin entfernt. Zwar steigen in den Staaten die Stundenlöhne, was eine Lohn-Preis-Inflation auslösen könnte. Aber noch immer sind circa sieben Millionen Amerikaner mehr ohne Job, als vor dem Beginn der Corona-Krise. Das spielt bei den Entscheidungen der Fed sicherlich eine Rolle.
In Europa sind bislang gar keine Anzeichen einer weniger expansiven Geldpolitik zu erkennen. Aus Sicht der Investoren wechseln die Notenbank-Ampeln maximal von grün auf gelb, aber keineswegs auf rot. Das gilt auch für die Geldpolitik in Asien.

Gleichzeitig ist es mit den Sparbemühungen der verschiedenen Regierungen erst einmal vorbei. Mit umfangreichen Ausgabenprogrammen versuchen die Staaten ihre Volkswirtschaften vor den größten wirtschaftlichen Corona-Schäden zu schützen. In den USA hat dafür der Kongress bereits 1,9 Billionen Dollar freigegeben. US-Präsident Joe Biden will noch einmal weitere zwei Billionen Dollar nachlegen, von denen der Kongress aber erst 240 Milliarden Dollar bewilligt hat. Aktuell stecken 1,2 Billionen aber in den Abstimmungen fest, Demokraten und Republikaner kämpfen noch über die Erhöhung der Schuldenobergrenze für das aktuelle Haushaltsjahr.
Europa backt etwas kleinere Brötchen, hat aber immerhin ein 750 Milliarden Euro schweres Konjunkturpaket geschnürt und erste Länder werden diese Mittel auch zeitnah abrufen (Spanien, Italien).

Offensichtlich stehen sich unter dem Strich eine weiterhin expansive Geldpolitik der Fed und EZB und die umfangreichen Konjunkturprogramme weltweit den Unsicherheiten in China und den Lieferengpässen mit den damit verbundenen Preissteigerungen gegenüber.

Nachdem die Börsianer im September nach der monatelangen Rally die Risiken wieder einmal höher gewichtet und die Aktienkurse auf Talfahrt geschickt hatten, sieht es aktuell wieder nach einem „goldenen Oktober“ aus.
Und immer noch stellt sich die Frage nach den Alternativen. Zwar steigen die nominalen Zinsen wieder etwas. Aber die erhöhten Inflationsraten sorgen dafür, dass sich die Realzinsen sogar noch stärker im den tiefroten Bereich bewegen.

Vor diesem Hintergrund dürften an den Aktienmärkten zwar die Volatilitäten wieder zunehmen, die Rally sollte sich aber unter Schwankungen erst einmal fortsetzen.

Andreas Enke