Quartalsbericht Geneon Global Challenges Herbst 2020

Unsicherheit in Europa—Show Down in den USA: aber wir haben ein Versprechen der Notenbanken

Hamburg, 06.10.2020 In diesem verrückten Jahr 2020 verlief die Entwicklung des Fonds in der ersten Hälfte quasi entgegengesetzt zu den Märkten; erst im dritten Quartal verlief die Ent-wicklung parallel. Das möchte ich kurz erläutern:

  • war das 1. Quartal noch die Sternstunde des Risikomanagements – Verluste im Fonds von unter 2%, während die Aktienmärkte historische Kursverluste verzeichneten –
  • zeigte das 2. Quartal die Kehrseite: die folgende, überraschende Erholung im 2. Quartal traf auf auf eine anfangs komplette Absicherung: der Fonds und die großen Indices DAX, EuroStoxx und S&P500 kamen wieder zusammen.
  • im dritten Quartal lösten wir die Absicherungen wieder auf, so dass sich das erfolgreiche Konzept insgesamt besser entwickeln konnte als der Aktienmarkt. Über die Hintergründe dazu gleich mehr. Hier in Kürze ein paar Zahlen, genauere Informationen im Factsheet.
1. Quartal2. Quartal3. Quartal2020 p.r.t.
GENEON Global Challenges-1,7%-6,2%+7,2%-1,4%
DAX-25,0%+17,9%+3,4%-3,7%
EuroStoxx-25,6%+11,9%-1,0%-14,7%
S&P500 in USD-20,0%+15,9%+8,5%+4,1%
S&P500 in EUR-18,7%+14,5%+3,8%-0,4%
Entwicklung der relevanten Aktienmärkte und des Aktienfonds 2020 im Vergleich

Was treibt die Märkte nach dem historischen Einbruch eigentlich wieder zurück in alte Höhen? Schauen wir genau hin: wir haben nämlich mehrere gegensätzliche, voneinander unabhängige Strömungen, die die Märkte in beeinflussen.

In Europa stehen insbesondere die Dienstleistungssektoren, die für mehr als zwei Drittel der Wertschöpfung stehen, unter Druck. Sie dürften sich deutlich schwächer und auch viel langsamer erholen als bisher in den Indizes abgebildet. Veranstaltungen mit vielen Teilnehmern werden weiterhin kaum möglich sein, Gastronomiebetriebe werden die Umstellung in der kalten Jahreszeit besonders spüren, und die Reiseaktivität wird auf Sicht sehr gedämpft bleiben. Dies vor allem, solange Teile von Europa hohe Covid-Infektionszahlen aufweisen und daher als Risikogebiete gelten. Die zweite Welle, die immer wieder befürchtet wurde, ist längst da. Und während hierzulande führende Virologen vor der Gefahr noch deutlich höherer Fallzahlen warnen, ist genau dies in Großbritannien, Spanien, Frankreich, Belgien bereits Realität. Niemand geht von einem erneuten Lockdown wie im Frühjahr aus, aber welche Maßnahmen konkret alternativ getroffen werden müssen, weiß auch niemand.
Diese Unsicherheit wird verstärkt durch die Ereignisse rund um die Wahl des US Präsidenten im November: es gibt genug Prognosen, wie sich die Aktien– und Rentenmärkte unter Trump oder Biden entwickeln werden, aber noch keine seriöse, was es bedeuten würde, wenn der Verlierer das Ergebnis der Wahl nicht anerkennt und Unruhen oder mehr entstehen.

Wir mögen mit Fassungslosigkeit in die USA schauen. Die Situation in Europa trägt allerdings auch nicht gerade zur Beruhigung bei. Sprechen wir kurz über den Brexit und über Geld, welches eigentlich zur Stabilisierung und zum Wiederaufstieg Europas von der EU zur Verfügung gestellt werden soll:

  • Die Verhandlungen über ein Handelsabkommen zwischen Großbritannien und der EU, welches einen harten Brexit verhindern soll, befinden sich bekanntermaßen in einer Sackgasse. Die EU verlangt die Rücknahme des Internal Market Bill, mit dem die britische Regierung Teile des Ende 2019 mit der EU vereinbarten Austrittsabkommens konterkariert. Die Regierung von Boris Johnson lehnt das ab und fordert ihrerseits Zugeständnisse seitens der EU bis spätestens 15. Oktober, danach werde man sich auf ein No-Deal-Szenario vorbereiten. Das alles klingt nicht gut und deutet auf einen Showdown in den nächsten Wochen hin, mit der Folge erheblicher Schwankungen an den Märkten.
  • Dazu kommt der Streit um „Next Generation EU, das neue finanzielle Aufbauprogramm der EU. Es ist ein Streit um sehr viel Geld. Am 21. Juli beschlossen die 27 EU-Staaten nach schier endlosen Verhandlungen ein Ausgabenpaket im Gesamtumfang von 1,8 Billionen Euro. Es umfasst sowohl den Finanzrahmen für die Jahre 2021-27 als auch ein 750 Mrd. Euro schweres Hilfspaket, das dem Wiederaufstieg Europas aus der Corona-Krise dienen soll. Eigentlich war geplant gewesen, die Vergabe von EU-Mitteln zukünftig an die Einhaltung von EU-Standards bzgl. Rechtsstaatlichkeit zu koppeln. Diese Selbstverständlichkeit wurde von den Visegrad-Staaten torpediert. Es steht im Raum, dass der „Next Generation EU“-Fonds in diesen Ländern nicht ratifiziert wird und somit zum 1. Januar 2021 kein Geld fließen kann. Besonders würden darunter die am schwersten von Covid-19 getroffenen Länder leiden, allen voran Italien und Spanien. Neue Krisen könnten schnell aufbrechen. 

Jetzt ist doch ein Blick über den Atlantik wichtig. Schauen wir einmal nicht auf den Wahlkampf, sondern auf die FED, die US-amerikanische Notenbank, die wieder einmal überraschend und wirkungsvoll das Zepter in die Hand nahm.

Die Notenbanken hatten schon zu Beginn der Coranakrise mit ihren gigantischen Anleihekaufprogrammen für die Beruhigung und die Erholung der Märkte gesorgt.

Jetzt setzte die FED Mitte Oktober noch einen drauf:
Sie gab mit dem ihrer „Forward Guidanceneue Leitlinien für die künftige Geldpolitik bekannt.
Und die hatten es in sich: Die Fed selbst sieht die „Forward Guidance“ als ein wichtiges Kommunikationswerkzeug der Geldpolitik. Meist bestätigte die Notenbank damit zuletzt immer nur, was ohnehin allen klar war: Eine weiter expansive Geldpolitik, bis die Inflation anzieht. Doch jetzt kamen entscheidende Änderungen hinzu.
In den Leitlinien kündigte die Fed nicht nur an, dass sie den Zins bis 2023 bei nahezu null Prozent lassen will. Sie legte auch extrem hohe Maßstäbe an, die erfüllt sein müssen, damit die Zinsen wieder steigen.
Die neue Formulierung besagt, dass die Zinsen im jetzigen Korridor von 0,00 bis 0,25 Prozent verbleiben sollten, bis

  • die Inflation auf zwei Prozent gestiegen ist,
  • dieses Niveau für einige Zeit moderat übersteigt und
  • Vollbeschäftigung erreicht ist.

Das kritische Wort hier ist ‚und‘. Jetzt müssen alle Ziele klar erreicht sein, damit die Fed Zinserhöhungen überhaupt in Erwägung zieht!
Vollbeschäftigung gilt bei einer Arbeitslosenquote von max. 4,1% als erreicht. Alle Bedingungen wurden zuletzt im Oktober 2018 erfüllt, davor im Jahr 2000.

Im Ergebnis stellte die FED also klar, dass sie den Zins noch für viele Jahre auf dem heutigen Niveau belassen wird. Und das mit klaren, nachvollziehbaren Bedingungen.
Wir haben jetzt eine kalkulierbare Notenbankpolitik, die sich nicht scheut, von ihren Instrumenten zur Marktstabilisierung auch massiv gebrauch zu machen.
Aus geldpolitischer Sicht ein Traum! Ein besseres, stabilitätsorientierteres Szenario kann aus dieser Ecke nicht kommen.

So etwas honoriert der Markt: ein möglicher Weg aus der Krise wurde angedeutet: die Aktien stiegen weiter, die o.g. Risiken in Europa und in den USA werden ausgeblendet.

Es wird die Herausforderung der kommenden Monate sein, zu erkennen, wann die Marktrisiken in der Wahrnehmung wieder in den Vordergrund gestellt werden. Denn der Brexit, die US-Wahlen oder die Blockade der EU-Hilfsprogramme: dies alles ist ja weiterhin reell.

Ihr Andreas Enke