Hamburg, 07.04.2020. Corona-Epidemie – Lockdown – Börsenturbulenzen:
Wo stehen wir heute und wie geht es in unserem Aktienfonds weiter?
Achtung: dieser Bericht ist etwas länger, aber die Situation ist auch komplex.
Wie schon berichtet, bewahrte uns die Vollbremsung des Risikomanagements vor großem Schaden. Dabei war es wohl eher eine „Gefahrenbremsung“: so schnell und so heftig hatten wir noch nie in unserer 13-jährigen Geschichte als Vermögensverwalter das Risiko reduzieren müssen.
Warum taten wir dies? Aktieninvestments sind grundsätzlich dann sinnvoll, wenn die Unternehmen, in die wir investieren, die Chance haben, auch Gewinne zu erwirtschaften. Gut für die Kurse ist es, wenn die Erwartung vorherrscht, dass diese Gewinne steigen werden. Schlecht, wenn das Gegenteil erwartet wird. Die Corona-Krise hat bekanntlich das Thema „Gewinne“ weit nach hinten geschoben. Wie schon in den vorherigen Blogs beschrieben, zogen wir deshalb die Konsequenzen und sicherten unsere Aktien ab. Mit dem bekannten Ergebnis, dass wir zum Ende des Quartals mit einer Performance von -1% großen Schaden abwenden konnten.
Ein bisschen Eigenlob muss jetzt gerade mal sein: mit diesem Ergebnis sind wir auf Platz 1 der Rangliste Globaler Aktienfonds unserer Kategorie in der Performance für 1 Jahr! Ranglisten gibt es viele. Nach Analysen des Marktführers MORNINGSTAR sind wir bei der Gesamtrendite im obersten 1% der Aktienfonds unserer Kategorie! Eine ausführlichere Begründung gaben wir in dem Interview für -Das Investment-.
Darauf sind wir schon stolz.
Aber wie geht es jetzt weiter?
Wenn wir ehrlich sind: die Lage ist kompliziert und von vielen Variablen abhängig. Wir wissen noch nicht einmal, wo wir heute wirklich stehen; geschweige denn, in welche Richtung eine Entwicklung gehen könnte. Das geht nicht nur uns so.
Was passiert gerade?
Unabhängig von neuen Fakten, aber leider nicht unabhängig von Schlagzeilen, sehen wir die Börsen derzeit immer wieder kräftig nach oben steigen, um dann wieder zu fallen. Wobei Spannen von 10% bis 15% aktuell keine Seltenheit sind.
Die Erklärung ist banal: nach dem großen Kursverfall, der fast alle Investoren auf dem falschen Fuß erwischte, haben viele Marktteilnehmer einfach Angst. Angst, zu spät zu kommen und nach den realisierten Verlusten jetzt auch den Aufschwung zu verpassen. Viele kaufen daher schon bei Nachrichten, die alles andere, nur nicht entscheidend sind. Dabei hilft, dass sich in den vergangenen gut zehn Jahren die trügerische Gewissheit eingebrannt hat, dass man bei Kursrückgängen immer kaufen kann, denn über kurz oder lang wurden die alten Hochs auch wieder überboten.
Doch gilt dies heute noch? Wird alles schnell wieder gut?
Seit 2009, dem Beginn steigender Kurse nach der Immobilienkrise, gab es immer wieder Phasen größerer Rücksetzer: die Euro-Krise, die konjunkturell schwierige Phase 2015/2016 oder Trumps Handelskrieg 2018. Diese Probleme wirken heute fast belanglos. Es war schlicht einfacher, das Vertrauen zu behalten, dass Alles wieder ins Lot kommt. Sobald Maßnahmen beschlossen wurden, war zumeist das Grundvertrauen wieder da und die Kurse erholten sich im Laufe der Zeit.
Aber wir bewegen uns an der Börse aktuell eher in einem Umfeld wie im Jahr 2008, als die Immobilienblase geplatzt ist. Auch da wusste man nicht, wie es weitergehen würde. Würden die Gegenmaßnahmen der Regierungen und Notenbanken greifen oder alles zusammenbrechen? Das Ergebnis war ein heftiges Auf und Ab, genau wie heute. Und diesmal ist die Zahl der Unbekannten in der Gleichung noch länger, weil all die Einschränkungsmaßnahmen und die Maßnahmen zur Linderung der Folgen für die Wirtschaft davon abhängen, wann wir das Virus in den Griff bekommen. Und nicht nur das: Entscheidend wird auch sein, ob die Regierungen und Notenbanken der großen Volkswirtschaften jetzt das Richtige tun und es weiter tun werden. Wir denken also nicht nur über Auswirkungen der Wirtschaftspolitik nach, sondern auch über Auswirkungen von Epidemien.
Dass alle großen Wirtschaftsräume jetzt sofort den Geldhahn aufdrehten, ist folgerichtig. Es ist nötig, die Liquidität aufrechtzuerhalten, damit Forderungen bedient werden können. Nur wenn schnell wieder geöffnet werden kann, was gerade geschlossen ist, wird die Rückkehr in geregelte Bahnen machbar sein. Aber: Geld alleine kann nichts ändern, wenn das Vertrauen fehlt.
Wenn die Investoren aus Angst vor einer Wiederkehr des Virus ihre Investments auflösen oder es zu einem Rückbau der Globalisierung kommt, dann wird es kompliziert. Wenn Regierungen die Einschränkungen zu früh beenden und ein erneuter Anstieg der Infektionszahlen auf eine gerade wieder hochfahrende Wirtschaft trifft, wird es gefährlich.
Ein weiterer höchst beeinflussender Aspekt ist besonders tückisch: die Medien. Nicht wenige Medien brüsten sich derzeit mit Extrem-Schlagzeilen, seien es überzogen negative oder überzogen positive. Zusätzlich liefern manche, die es besser wissen sollten, fleißig Material.
Z.B. die Chefin des IWF, die hinsichtlich der Pandemie von der „dunkelsten Stunde der Menschheit“ sprach. So etwas schürt die Angst und ist eine Übertreibung, die niemandem nutzt.
Andere berechnen, wie lang und tief die Rezession der Weltwirtschaft sein wird, obwohl sie nicht wissen können, wie sich der entscheidende Parameter, die Pandemie, entwickeln wird oder wann und mit welchen Mitteln die Weltwirtschaft sich wieder fangen wird. Die Verlässlichkeit solcher Berechnungen ist daher glatt null. Aber da alle gern mit Superlativen um sich werfen, schürt das die Angst. Es unterhöhlt gerade das entscheidende Element, das wir brauchen: Vertrauen.
Solange wir nicht wissen, wie lange die Pandemie dauert, ob und wann die medizinischen und fiskalpolitischen Gegenmaßnahmen greifen, bleibt diese Situation einfach nicht eingrenzbar. Es kann glimpflich ausgehen, es kann viel schlimmer werden, alles ist möglich. Wer das versteht, erkennt auch, dass man als Anleger an der Börse aktuell nicht erwarten darf, dass die Kurse, ob nun am Aktien-, Rohstoff-, Devisen- oder Anleihemarkt, wie gewohnt, mit gelegentlichen Schwankungen aber tendenziell nach oben laufen werden.
Uns erwartet also ein Marktphase, die verstärkt spekulativ getrieben sein wird.
Es lässt sich vorab nicht absehen, wo ein „unten“ und „oben“ zu erwarten ist und wie lange diese Phase dauern wird. Jetzt, in einer noch frühen Phase der Pandemie und einer noch früheren Phase der wirtschaftlichen Herausforderungen, können wir nicht absehen, ob es am Ende viel weniger dramatisch wird als die meisten befürchten … oder schlimmer.
Wir haben die komfortable Situation, dass wir im Aktienfonds nicht auf Verlusten sitzen. Wir können ohne Druck so handeln und auf Basis von Informationen entscheiden, wann wir wieder in den Markt einsteigen wollen. Und es gibt für uns keine „Benchmark“, der wir folgen müssen.
Für uns ist daher keine Zeit für Investments, in denen man den Markt einfach mal subjektiv als „billig“ einstuft und einsteigt. Wenn es objektiv bessere Einschätzungen gibt, werden wir entsprechend einer abschätzbaren Lage handeln.
Andreas Enke